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Kraft der Wildkräuter

Wegen einer entzündeten Zahnwurzel riet meine Zahnärztin zu einer Wurzelbehandlung oder dem Entfernen des Zahns. Ich bin 35Jahre alt und erschrak, weil ich diese Massnahme nie erwartete. So entschloss ich mich, alles erdenklich Mögliche zu tun, dass eben dieser Zahn wieder heil werden kann.
Nach Weihnachten 2018 begann ich mich bei Kollegen und Bekannten über Ernährung und Verdauung zu informieren. Ich fand heraus, dass Kohlenhydrate sowie tierische Proteine bei der Verdauung im Körper Säuren bilden und sich sauer auf den Blut-PH auswirken. Wird die Neutralisierung vom Körper nicht geschaft, weil zuviel Säure vorhanden ist oder der Prozess aus verschiedenen Gründen gehemmt verläuft, können Entzündungen schlecht heilen. Es führt zur Übersäuerung und hohen Entzündungswerten. Basisch auf den Körper wirken alle grünen Nahrungsmittel und weniger säurebildend sind stärkehaltige Gemüse und Kartoffeln. Mir wurde bewusst, wie viele Nährstoffe durch den Kochprozess verloren gehen. Ich bedauerte diese Erkenntnis, weil ich fürs Leben gerne koche und dachte, dass ich meine Kochbücher nun verschenken müsse.
Im Januar 2019 kaufte ich eine Saftpresse, weil die Menge an Karotten, Randen, Zuckerhut, Rettich, Sellerie und Petersilienwurzel gross war und sich das Safttrinken als sehr angenehm herausstellte.
Ich trank um 11 Uhr und 14Uhr je einen Saft und um 17/18Uhr ass ich gekochte Kartoffeln mit gedämpftem Gemüse. Ich ass während 16Stunden (18-11Uhr) nichts, weil der Darm, wenn er nicht verdauen muss, aufräumen tut. Und irgendwie hatte ich das Gefühl, dass es bei mir viel zum Aufräumen gab. Die ersten zwei Wochen waren für mich schwierig. Ich fühlte mich zwar kaum hungrig doch ich hatte Durchfall. Nach 10 Tagen verbesserte es sich und ich fand heraus, dass sich die Darmflora mit jeder Ernährungsumstellung verändert und es Zeit braucht. Man könnte die Darmflora mit Präparaten aufbauen. Weil ich täglich fermentiertes Gemüse ass, verzichtete ich darauf.
Ich fühlte mich sehr fit und erstaunlicherweise war ich nach dem Essen nicht mehr müde. Das Bedürfnis nach zuckerhaltigen Sachen sank. Ich ass einfach im Anschluss an eine Mahlzeit schwarze Schoggi, ein paar Datteln oder was mich sonst ansprach. Dazwischen ass ich aber nichts.
Nach vier Wochen fühlte ich mich so fit, dass ich am Morgen nach dem Yoga joggen wollte. Ich erwachte von selbst nach 4-6Stunden Schlaf erholt mit dem Wunsch mich zu bewegen. Dieses Gefühl war mir völlig fremd aber ich fands wunderschön.
Die entzündete Zahnwurzel bildete einen Abszess, den ich als Druck beim Draufbeissen wahrnahm. Ich begann jeden Morgen nach dem Aufstehen Öl zu ziehen. Ich nahm Rapsöl, weil ich das beim Kollegen frisch pressen lasse und ich es mag. Schon wenige Tage später bildete sich eine Pustel im Gaumen. Das Öl spuckte ich jeweils in den Kompost. Weil es eine kleine Menge ist, kann dies mein Kompost gut verarbeiten. Grosse Mengen Öl sollte man nicht im Kompost, sondern separat entsorgen. Unsere Umwelt wäre damit überfordert.
In dieser Zeit verlor ich etwa fünf Kilo Gewicht und emotional kam einiges hoch. Die Bewegung half mir, die Prozesse anzunehmen und ich fühlte mich plötzlich durchlässig, irgendwie kernig und zentriert.
Im Februar entdeckte ich schon die ersten Wildkräuter, die mich dieses Jahr besonders ansprachen. Scharbockskraut, Bärlauch, Weissklee und Löwenzahn presste ich mit dem Gemüse. Wobei der Bärlauch einfach zu dominant im Saft ist. Im März stellte ich dann ganz auf Kräuter um und verarbeitete nur noch das minderwertige Gemüse zu Saft.
Obwohl ich viele Wildkräuter schon kannte, entdeckte ich viele unbekannte. Zum Beispiel Nelkenwurz, bis anhin in meinen Augen ein lästiges Unkraut. Die Blätter sind sehr bitter, es gehört zu den Rosengewächsen und ist nur 50cm hoch. Anscheinend hat die Wurzel tatsächlich einen nelkenartigen Geschmack und wurde früher als Gewürz verwendet.
Ich fand heraus, dass Brennnessel und besonders Gartenmelde einen hohen Magnesiumgehalt haben. Wobei die Brennnessel wirklich der Star ist. Um sie besser kennenzulernen, habe ich drei Tage nur Brennnesselsaft getrunken. Davon fühlte ich mich so klar, war nicht hungrig, hatte ein sehr schönes Gefühl und kam mit der Arbeit gut voran. Danach hatte ich aber zwei Tage gar keine Lust darauf.
Seit fünf Monaten ernähre ich mich nun mehr oder weniger mit zwei rohen und einer gekochten Mahlzeit, sammle die Wildkräuter nach Gefühl und so entsteht jeden Tag eine andere Mischung. Zudem esse ich ab und zu Brot mit langer Teigführung, gekeimter Buchweizen, gekochte Kartoffeln, gekochter Vollkornreis, gekeimte Linsen, gekeimte Sonnenblumensamen, gequollene Mandeln und Haselnüsse. Fermentiertes Gemüse wie Sauerkraut oder fermentierte Randen. Ab und zu esse ich ein Ei, etwas Butter oder Käse. Auch bin ich auswärts auf Besuch tolerant und esse ausser Fleisch fast alles. Das gemeinsame Essen ist für mich immer etwas Besonderes.
Körperlich fühle ich mich sehr fit und gesund, der Abszess ist verheilt. Ich bin gespannt, was die Zahnärztin sagen wird. Ich bin erstaunt über die Kraft der Wildkräuter, die mich in einer so grossen Fülle umgeben und einfach zu meinen Füssen liegen. Ich bin erstaunt, wie sich mein Geschmacksinn an die Bitterkeit gewöhnt hat. Letzthin, als ich einer Kollegin von meinem Saft zum Probieren gab, hat sie fast gespuckt. Natürlich kann man ihn mit Wasser verdünnen, mit Früchten oder Dicksaft süss machen. Am besten fängt man aber einfach mit kleinen Mengen an. Die Bitterstoffe sind nicht zu unterschätzen. Sie lösen Giftstoffe aus unserem Körper, welche ausgeschieden werden. Daher ist es sinnvoll, langsam damit zu beginnen um den Körper mit seinen Organen nicht zu überfordern.
Mehr oder weniger ernähre ich mich nun so wie beschrieben. Je nach körperlicher Anstrengung auf dem Feld esse ich am Abend entsprechend ausgiebig.
Am Freitagsmarkt auf dem Milchbuck verkaufe ich Wildkräuter bündchenweise. Ich möchte herausfinden, ob eine Nachfrage nach Wildkräuter besteht.
Ich freue mich sehr über die gewonnene Energie, die neue Beziehung zu den Wildkräutern. Es wird mir bewusster, wieviel Lebendigkeit im Naturgarten um diese Kräuter-Diversität herrscht, und ich bin gespannt, was ich noch alles im Naturgarten Bolebuck entdecken werde.